Im September habe ich meinen ersten Advanced-Kurs Stadtfotografie bei Nicola Lederer gemacht. Ich war ziemlich gespannt, denn ich habe schon geahnt: Ich muss raus aus meiner Komfortzone. Nicola hat uns mehrere Vorschläge gemacht, wie man das Thema umsetzen kann. Ich habe mich für ein Porträt der Wiener Innenstadt entschieden. Meine erste Frage: Wie zeigt man eine Stadt, die man glaubt, sehr gut zu kennen, noch einmal ganz neu? Ich erzähle dir jetzt mehr über mein Fotoprojekt, zeige dir die Wiener Innenstadt in sechs Motiven, vom Stephansdom bis zum Parlament, und verrate, was ich über Stadtfotografie gelernt habe.
Wie ist mein Porträt der Wiener Innenstadt entstanden?
Zuerst habe ich mir Gedanken gemacht, was ich fotografieren möchte, was in einer Collage auch zusammenpasst. Für mich war schnell klar, in meiner Collage soll es um das alte Wien gehen.
Die Fotos sollen in Farbe sein. Ich habe mich für den Nachmittag zum Fotografieren entschieden. Ich wollte am liebsten blauen Himmel mit ein paar Wolken. Außerdem wollte ich, dass viele Menschen unterwegs sind, um Wien als Tourismus-Hotspot zu zeigen. Das ist zwar eine Herausforderung, bringt aber Dynamik in die Bilder.
Der Stephansplatz, der Graben und die Hofburg standen ganz oben auf meiner Liste. Als Ruhepol wollte ich einen Innenhof mit Pawlatschen aufnehmen. Dafür fiel mir gleich der Fähnrichshof ein. Diese Orte waren fix.
Für die restlichen Fotos habe ich auf meiner Tour nach Ideen gesucht. So kam ich vom Graben in die Naglergasse. Die Hofburg musste ich streichen, weil gerade für eine Veranstaltung auf- oder abgebaut. Es waren Zelte vor der Hofburg, die mir überhaupt nicht ins Bild gepasst haben. Stattdessen wurde es das Parlament. Und weil ich gerade in der Nähe war, habe ich im Volksgarten noch den Brunnen mit Blick aufs Burgtheater fotografiert. Auch wenn nicht alles geplant war, hat sich am Ende eine stimmige Collage ergeben.
Ich habe sechs Orte gewählt, die Wiens Kontraste zeigen: belebte Plätze, ruhige Innenhöfe und klassische Architektur. Langzeitbelichtungen bringen Dynamik durch Menschenbewegungen, ohne einzelne Personen erkennbar abzubilden.
Kurzinfo: Wiener Innenstadt – Fotospots & Tipps
📍 Ort: 1. Bezirk, Wien
📸 Fotospots: Stephansplatz, Graben, Naglergasse, Fähnrichshof, Volksgarten, Parlament
🕒 Beste Zeit: Nachmittag bis Abend, goldene Stunde
📸 Empfohlene Fotoausrüstung: Stativ, ND-Filter, Weitwinkel-Objektiv
🎓 Herausforderung: Geduld & Mut nötig, viele Menschen
🚇 Erreichbarkeit: U1/U3 Stephansplatz, U2/U3 Volkstheater
💰 Eintritt: überall kostenlos
🚶♀️ Tipp: Bewegung im Bild nutzen: Menschen sind kein Störfaktor, sondern Teil der Geschichte
Hier ist meine Collage:

Welche Fotospots habe ich ausgewählt?
Vom Stephansplatz über den Graben bis zum Volksgarten findest du in Wien viele Kontraste: gotische Architektur, barocke Denkmäler, ruhige Innenhöfe und moderne Spiegelungen. Diese Mischung macht den Reiz der Stadtfotografie in Wien aus.
Hier findest du meine sechs Fotospots von Stephansplatz bis Parlament jeweils mit Motivation, Bildidee und kompakten Fototipps. Ideal, wenn du Bewegung und Architektur kombinieren willst.
Stephansplatz: Zwischen Gotik und Glasfassaden
Der Stephansdom ist das Wahrzeichen Wiens und wurde ab dem 12. Jahrhundert erbaut. Sein Dach mit den bunten Ziegelmustern ist weltberühmt.
Mitten am Stephansplatz mein Stativ aufzustellen, war schon eine Überwindung. Ich habe es direkt neben den Bänken am Graben aufgebaut. Von dort hast du einen tollen Blick auf den Stephansdom.
Die sitzenden Menschen haben mir neugierig zugeschaut. Das war mir etwas zu viel Aufmerksamkeit. Andere sind vorbeigeströmt. Ich hatte ständig die Sorge, dass jemand meine Kamera umrennt oder mir jemand etwas aus dem Rucksack klaut.
Gleichzeitig war es spannend, das Gewusel mit der Ruhe des Doms zu verbinden. Im Kontrast mit dem modernen Haas-Haus zeigt sich Wien von seiner alten und seiner modernen Seite.
Es sollte eine Langzeitbelichtung sein, damit die Menschen etwas unscharf sind und damit nicht eindeutig erkennbar sind. Außerdem bringt das Dynamik ins Bild.
Eine weitere große Herausforderung war das eingerüstete Gebäude rechts vom Dom. Ich hatte den Dom bereits bei meiner ersten Foto-Tour ohne diesen Effekt fotografiert. Da bekam ich in meinem Team das Feedback, dass der Werbebanner zu sehr ablenkt. Beim zweiten Versuch habe ich mich deshalb so positioniert, dass mehr vom Haas-Haus und weniger vom rechten Gebäude zu sehen ist.
Der Stephansdom funktioniert großartig mit einer längeren Belichtungszeit, weil das Gewusel der Passanten spannende Bewegungsbahnen erzeugt. Positioniere dich so, dass Dom und Haas-Haus gleichzeitig wirken, und blende störende Elemente bewusst aus.

Fototipps für den Stephansdom
- Für Langzeitbelichtungen mitten in einer belebten Fußgängerzone brauchst du vor allem Gelassenheit.
- Ein stabiles Stativ ist Pflicht, und je nach gewünschter Bewegungsunschärfe kannst du mit Belichtungszeiten zwischen einer halben und mehreren Sekunden experimentieren. Längere Belichtung erzeugt mehr Dynamik. Bei kürzerer Belichtung siehst du die Personen klarer, aber genau das wollte ich vermeiden. Ich wollte, dass die Menschen schon noch erkennbar sind, aber etwas unscharf.
- Untertags brauchst du dafür einen ND-Filter, weil das Foto bei hellem Tageslicht sonst überbelichtet wäre.
Ich habe noch weitere Fotos vom Dom gemacht. Die Fotos unten haben mir auch gut gefallen. Sie haben dann aber nicht zu den anderen in der Collage gepasst.


Graben: Dynamik rund um die Pestsäule
Der Graben gehört zu den belebtesten Fußgängerzonen in Wien. Hier tummeln sich Touristen neben Einheimischen. Die barocke Pestsäule wurde 1693 errichtet und erinnert an das Ende der Pest in Wien.
Die Pestsäule ragt wie ein Ruhepol mitten im Menschenmeer. Dank der Langzeitbelichtung sind die Passanten zu sanften Bewegungsstreifen verschwommen, fast wie Geister, die kommen und gehen, während die Architektur bleibt.
Am Stephansplatz bin ich noch etwas abseits gestanden. Am Graben war ich mittendrin in den Menschenmassen. Auf einmal war eine Touristengruppe um mich. Fotografieren ist da wirklich eine Herausforderung.
Die zentrale Achse und die Pestsäule liefern eine natürliche Bildführung. Mit längeren Belichtungszeiten werden Menschen zu weichen Spuren.

Fototipps für den Graben
- Nutze die Zentralperspektive, um die Pestsäule in den Mittelpunkt zu setzen.
- Für die Langzeitbelichtung gilt dasselbe wie am Stephansplatz. Spiele mit unterschiedlichen Belichtungszeiten, um den Effekt der Bewegungsunschärfe zu variieren.
Naglergasse: Urbanes Leben in Seitengassen
Der Name geht auf die Nagler zurück, Handwerker die im Mittelalter Nägel herstellten. Heute ist es eine charmante Einkaufs- und Flanierstraße.
Nach den großen Plätzen wirkt die Naglergasse wie ein Rückzugsort. Es ist deutlich weniger los. Hier wird geschlendert, eingekauft, im Café gesessen. Ich mag, dass die Gasse trotz Enge eine eigene Ruhe ausstrahlt und dass man die Mischung aus Bewegung und Architektur so gut einfangen kann.
Mit etwas Übung vom Stephansplatz und Graben war es hier mit Stativ viel entspannter zu fotografieren. Es war auch nicht so viel los.
Enge Gassen profitieren vom Hochformat und einem markanten Vordergrund. Dezent viel Bewegung, weniger Hektik.

Fototipps für die Naglergasse
- Fotografiere Gassen im Hochformat. So kommt die Höhe der Fassaden zur Geltung.
- Ich habe auch hier länger belichtet. Bewegungsunschärfe durch Passanten bringt Leben ins Bild.
- Ein markantes Detail im Vordergrund, etwa eine Tasche oder ein Hut, verstärkt die Bildwirkung.
Fähnrichshof: Ein verstecktes Juwel
Der Fähnrichshof ist einer dieser Orte, die man übersieht. Als Tourist kommst du normalerweise dort gar nicht hin. Der Fähnrichshof ist ein stiller Durchgangshof mit Balkonen, Pflanzen und Kopfsteinpflaster. Er vermittelt Ruhe mitten in der Innenstadt. Mir gefällt bei dem Foto, wie die Linien der Architektur ins Licht am Ende führen. Hier bist du fast alleine.
Ruhiger Innenhof mit klaren Linien, perfekt für Führungslinien und Perspektivenwechsel.

Fototipps für den Fähnrichshof
Ich habe schon öfter im Fähnrichshof fotografiert. Es gibt ein paar Innenhöfe, die schön für Fotos sind.
- Nutze Führungslinien, um den Blick ins Bild zu führen.
- Spiele mit unterschiedlichen Perspektiven.
- Setze kleine Farbakzente wie Pflanzen oder Blumentöpfe bewusst in Szene.
Volksgarten: Idylle mit Brunnen und Burgtheater
Der Volksgarten wurde 1823 eröffnet und ist einer der ältesten öffentlichen Parks Wiens. Besonders bekannt ist er für seine Rosengärten mit über 200 Sorten.
Nach dem Trubel der Innenstadt war der Volksgarten eine Wohltat. Ich habe den Blick vom Brunnen auf das Burgtheater genossen. Das Plätschern des Wassers beruhigt, auch wenn gleichzeitig Touristengruppen durchgeschleust werden. Ich bin von einer Schülergruppe fast niedergerannt worden. Kamera und Stativ immer gut festhalten!
Eine Komposition in Ebenen (Vordergrund/Mittelgrund/Hintergrund) macht das Bild lebendig.

Fototipps für den Volksgarten
Auch hier habe ich schon öfter fotografiert. Die Rosen eignen sich gut für Porträts.
- Baue deine Fotos in Ebenen auf: Vordergrund (Brunnen, Pflanzen), Mittelgrund (Menschen, Wege), Hintergrund (Architektur).
- Wenn du das Wasser weich fließen lassen möchtest, probiere eine längere Belichtung mit Stativ. Dafür war meine Belichtung zu kurz.
- Für noch mehr Stimmung lohnt sich ein Besuch in der goldenen Stunde.
Parlament: Monumental und lebendig zugleich
Das Parlament wurde 1883 eröffnet und ist im Stil eines griechischen Tempels erbaut. Die Statue davor zeigt die Göttin Athene, Symbol für Weisheit und Demokratie.
Schon von weitem wirkt das Gebäude monumental. Gleichzeitig rauschen davor Autos und Menschen vorbei. Genau diese Mischung macht den Spot spannend.
Herausfordernd war für mich, die richtige Belichtungszeit zu finden. Bei kürzerer Belichtung sieht man die Autos zu klar, bei längerer verschwinden sie. Das war mein letzter Fotostopp und ich bin da leider nicht mehr auf die Idee gekommen, verschiedene Belichtungszeiten auszuprobieren. Ich habe mich für eine mittlere Belichtungszeit entschieden, bei der die Autos noch leicht sichtbar sind. Für Nicht-Fotografen mag das vielleicht ungewöhnlich aussehen, weil man die Autos nur ein bisschen sieht und wahrscheinlich dann gar nicht weiß, was das sein soll. Schaut aus wie ein Streifen. Aber mir gefällt die Wirkung auch so.
Symmetrie betont die Strenge der Architektur des Parlaments, Verkehr sorgt für Bewegung. Mit mittleren Belichtungszeiten werden Autos zu dezenten Licht- oder Farbstreifen.

Fototipps für das Parlament
- Stelle dich frontal und symmetrisch auf. So kommt die Strenge der Architektur zur Geltung.
- Auch hier gilt alles für die Langzeitbelichtung wie beim Stephansplatz. Experimentiere mit verschiedenen Belichtungszeiten oder nutze einen ND-Filter.
- Experimentiere auch mit anderen Perspektiven.
Empfehlen kann ich auch eine kostenlose Führung im Parlament. Mehr darüber erfährst du in Das Parlament in Wien: Ein Blick hinter die Kulissen.
Welche Fotoausrüstung ist für die Stadtfotografie empfehlenswert?
Für Langzeitbelichtungen brauchst du auf jeden Fall ein stabiles Stativ. Es sollte nicht zu leicht sein, damit es auch bei Wind oder wenn jemand knapp vorbeigeht nicht wackelt.
Ein ND-Filter ist untertags unverzichtbar, da er das Licht reduziert und längere Belichtungszeiten möglich macht. Bei Spiegelungen ist auch ein Pol-Filter empfehlenswert.
Ich empfehle für Aufnahmen von Gebäuden in Innenstädten ein Weitwinkel-Objektiv. Damit kannst du große Plätze und Gebäude in ihrer ganzen Wirkung einfangen. In kleinen Gassen kannst du oft nicht weit genug zurück gehen, um ein Gebäude ganz aufs Foto zu bekommen.
Hier findest du Blogartikel zum Thema Fotoausrüstung:
- Fotografieren für Anfänger: Diese Fotoausrüstung brauchst du
- Fotografieren für Anfänger: So kannst du bei der Fotoausrüstung sparen
- Meine Fotoausrüstung: Ein Blick hinter die Linse
- Mit der Kamera auf Reisen: Meine Packliste für die Fotoausrüstung
Welche Fotoausrüstung habe ich verwendet?
Ich habe mein Stativ und einen ND-Filter für längere Belichtungszeiten verwendet.
Alle Fotos wurden mit meinem Weitwinkel-Objektiv, das die Brennweiten 10 bis 22 mm abdeckt, fotografiert.
Was habe ich bei der Stadtfotografie gelernt?
Ich konnte für mich aus dem Advanced-Kurs sehr viel mitnehmen. Hier sind meine wichtigsten Learnings:
- Langzeitbelichtungen mitten in der Stadt brauchen Mut. Am Anfang habe ich mich richtig unwohl gefühlt mit meinem Stativ zwischen all den Leuten. Aber genau da habe ich gemerkt, dass Gelassenheit der Schlüssel ist.
- Manchmal läuft es nicht nach Plan. Flexibel sein ist gefragt. Die Hofburg konnte ich wegen einer Veranstaltung nicht fotografieren. Erst war ich enttäuscht, dann habe ich spontan das Parlament aufgenommen und war mit dem Ergebnis richtig zufrieden.
- Das Feedback im Kurs war unglaublich wertvoll. Andere sehen Dinge, die mir selbst gar nicht aufgefallen wären. Genau dieser Austausch hat mir gezeigt, wie wichtig unterschiedliche Blickwinkel sind. Jeder hatte eine andere Idee zu einem Motiv. Ich habe viele Verbesserungsvorschläge bekommen.
- Ich habe gelernt, dass es sich immer lohnt, mit Perspektiven und Belichtungszeiten zu spielen. Auch wenn nicht jedes Bild sofort klappt, entstehen dadurch neue Ideen.
Stadtfotografie bedeutet, Kontrolle loszulassen. Du lernst Geduld, Mut und Flexibilität und dass gerade unperfekte Momente oft die schönsten Bilder entstehen lassen. Am Ende ist mein Porträt der Wiener Innenstadt sicher nicht perfekt geworden, aber es erzählt meine Geschichte. Und genau darum geht es für mich in der Fotografie.
Wie gefällt dir mein Porträt der Wiener Innenstadt? Welcher dieser Orte in Wien wäre dein erster Fotospot mit der Kamera? Hast du schon mal Langzeitbelichtungen in einer Fußgängerzone gemacht? Erzähl’s mir in den Kommentaren!
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